3. Januar 2022

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Blogartikel #00: Warum Besser mit Hund?

Unser Weg ins positive Hundetrainining, warum das Zusammenleben ohne Druck und Zwang besser funktioniert und worauf es im Hundetraining wirklich ankommt!

Hey, schön, dass du da bist! Ich bin Joana und ich habe eine Hundeschule in München und Rosenheim. Im Hundetraining kocht ein jeder sein eigenes Süppchen und das ist auch gut so! Schließlich gibt es hier kein Schwarz und kein Weiß, Hundetraining ist so individuell, wie die Hunde und die dazugehörigen Menschen. Und am Ende sind wir Hundetrainer auch alle verschieden, jeder erklärt Dinge anders, jeder hat seine ganz eigene besondere Zutat, um im Training Erfolg zu versprechen. Mein Erfolgsgarant für gutes Hundetraining ist positive Verstärkung. Klar, damit bin ich nicht allein (Gott sei Dank!) und das Rad hab ich auch nicht neu erfunden. Aber gerade deswegen arbeite ich so aus vollster Überzeugung, weil ich das nötige Wissen im Hintergrund habe und diese Art des Trainings zu meiner Wertvorstellung passt. Für mich kommt heute nichts anderes mehr in die Tüte als positives und bedürfnisorientiertes Hundetraining, ohne Zwang und Druck. Aber das war nicht immer so! Diesen Weg dorthin und das Standing dahinter, habe ich mir in den Jahren hart erkämpfen müssen.

Alles begann mit meinem ersten eigenen Hund, Jasper

Jasper ist ein Golden Retriever und zog im Alter von 15 Wochen bei mir ein. Ich war damals 16 Jahre alt und hatte mir diesen Traum vom eigenen Hund hart erkämpft. Ahnung hatte ich natürlich kaum welche. Aber ich hatte immer diese Illusion, dieses Bild vor Augen, vom aller besten Freund, dem treuen Begleiter in allen Lebenslagen. Ich wollte mit einem Hund mein Leben teilen und alles mit ihm gemeinsam erleben, ihm all meine Liebe schenken, ihm bedingungslos vertrauen können. Dieses idealisiertes Bild kennt wohl jeder, der sich einen Hund anschafft. Weil mir auch bewusst war, dass das ein langer Weg dorthin ist und dass ich auf diesem Weg Unterstützung brauche, besuchte ich recht bald mit ihm eine Hundeschule. Dort haben wir viel über die Jahre gelernt. Es wurde dort zwar auch immer recht viel über positive Verstärkung gearbeitet, aber eben auch viel über Druck und Zwang. Der Hund muss das und jenes jetzt machen, einfach weil er muss. Der Hund muss Sitz machen, wenn ich ihm das sage und wenn er sich stattdessen hinlegt, geht man hin und zieht den Hund am Halsband wieder hoch. Und der Hund muss Platz machen, auch wenn der Boden nass und kalt ist und ganz besonders auch in einer Pfütze muss der Hund Platz machen, weil er es eben auch da muss. Denn oberstes Ziel dieser Hundeschule war damals, einen jeden Hund einmal durch die Begleithundeprüfung zu schleifen. Damit hatte man sein oberstes Ziel im Hundetraining erreicht.

Von Fachidioten und Konditionierungsopfer

Ich bin mit Jasper zwei mal die Begleithundeprüfung gestartet, einmal die BGH1. Jedes Mal kamen wir mit einem Pokal und der besten Prüfung nach Hause. Klar, das machte mich Stolz und ich war sehr Ehrgeizig. Wir sind auch auf einige Turniere gestartet, immer mit einem sehr guten Ergebnis. Spaß hat das mir und Jasper schon gemacht und weiß auch, dass es uns als Team enger zusammen geschweißt hat. Aber immer mehr beobachtete ich dort am Hundeplatz und auf den Plätzen der Hundesportvereine, Hunde, die zwar dort am Platz eine grandiose Leistung mit ihrem Menschen abgeliefert haben, aber die es dann nicht schafften, die Meter vom Trainingsplatz zum Auto an lockerer Leine zu gehen, oder gar entspannt aus dem Auto aussteigen konnten. Jasper war damals auch in vielerlei Hinsicht ein solcher Fachidiot, wie ich es immer nenne. Oder ein Konditionierungsopfer, wie ich es oft auch schon gehört habe. Damals – und ich würde Jasper mit seinen inzwischen 8 Jahren jetzt auch wieder schnell dorthin bringen – wäre er mir im Fuß laufen gegen ein parkendes Auto gelaufen, so krass war er getrimmt, nicht mich aus dem Fokus zu verlieren. Immer mehr merkte ich innerlich, dass das nicht die Art ist, die ich mit meinem Hund zusammen leben möchte. Ich habe so viele Hunde in Hundeschulen kennengelernt, die die schwierigsten Übungen dort in einem Trainingssetting einem die Woche während der Kursstunde fabulös gemeistert haben, aber im Alltag nicht klar kamen, überfordert waren.

Was macht nun einen erzogenen Hund aus?

Immer mehr kam in mir die Frage auf, was jetzt das Ziel dieses ganzen Trainings ist und was einen erzogenen Hund eigentlich ausmacht? Für mich macht heute ein erzogener Hund nicht aus, wie präzise und akkurat er verschiedene Kommandos ausführen kann, sondern viel mehr, wie er sich verhält, wenn er gerade kein Kommando erhält. Training ist ein ganz tolles Tool, das will ich gar nicht schlecht machen. Ich trainiere mit meinen Kundenhunden ganz viel und auch wir machen ganz viele Übungen.

Aber Training ist nicht der Nabel der Welt. Für kommt es heute auf ganz andere Dinge an. Selbstkompetenzen. Hat der Hund gelernt, entspannt durch das Leben zu gehen, zur Ruhe zu finden, seine Erregungslage regulieren zu können und in schwierigen Situationen, wenn er das nicht schafft, sich an seinem Menschen zu orientieren? Mit Jasper war ich also über fünf Jahre in einer Hundeschule, absolvierte mit großem Erfolg Prüfungen und Turniere, an lockerer Leine im Alltag gehen, hatte er dort aber während der ganzen Zeit nicht gelernt. Turniertanzen ersetzt keine Ehe- oder Familienberatung! Vor einiger Zeit bin ich einem Buch von dem sehr geschätzten Udo Gansloßer über folgende Passage gestolpert:

„Ein weiteres, bisweilen wohl unerwartetes Ergebnis der Studie von Blackwell u.a. (2008) zeigt übrigens, dass Hunde, die in einer klassischen „Sitz, Platz, Fuß“-Hundeschule waren und dort formale Trainingseinheiten erfuhren, sich in der Häufigkeit unerwünschten Verhaltens im häuslichen Umfeld überhaupt nicht unterschieden von solchen, die keine formalen Trainingseinheiten absolvieren mussten. (…) Gerade Verhaltensprobleme im Bereich der Kontrolle durch den Halter (etwa an der Leine ziehen, Futter stehlen, Jagen von Radfahrern und Joggern etc.) waren in keiner Weise durch die Teilnahme an formalen Hundeschultrainingskuren beeinflussbar. Dies deckt sich auch mit unseren eigenen Erfahrungen (Anmerkung: auch mit meiner eigenen!). Hunde, die mit Bravour, die sogenannte Begleithundeprüfung oder den Hundeführerschein absolviert hatten, waren genauso unerzogen und bisweilen sogar bissig wie solche, die überhaupt keine solchen formalen Einheiten mitmachen mussten. Turniertanzen ersetzt eben keine Ehe- oder Familienberatung.“ (Hundeerziehung und ihre Grenzen, Udo Gansloßer (Hrsg.), S. 16)

Diese Zeilen sind leider so passend. Ich will gar nicht das System Hundeschule schlecht machen oder in Frage stellen, sonst hätte ich ja gewaltig meinen Job verfehlt. Und auch keinen reinen Grunderziehungskurs am Hundeplatz. Das kann gewaltig Spaß machen, dem Hund und dem Menschen, das kann euch auf eine ganz neue Beziehungsebene heben und man kann Freunde fürs Leben finden. So ist es mir zumindest ergangen. Aber es ist eben nicht alles. Der Fokus liegt im alltäglichen Miteinander, hier müssen wir dem Hund Kompetenzen beibringen, nicht nur auf dem Hundeplatz.

Druck und Zwang: Hunde, die in das System passen

So traurig es klingt, Jasper hat immer in dieses System mit Druck und Zwang gepasst. Weil er sich diesem System gefügt hat. Der Golden Retriever ist dafür bekannt, dass er recht wenig Aggressionspotenzial mit sich bringt. Klar, auch hier gibt es individuelle Unterschiede. Aber bei Jasper ist wirklich so jegliche Aggression heraus gezüchtet. Ich weiß gar nicht, was man mit ihm machen müsste, dass er mal nach einem Menschen schnappen würde. Jasper ist eher der Hund, der sagt, bevor ich etwas falsch mache, mache ich lieber gar nichts mehr. Ich erinnere mich, wie Jasper nach zwei Stunden Training (und ich weiß heute nicht mehr, wie man zwei Stunden in einer Hundeschule mit den Hunden arbeiten kann, ich brauch nach 60 Minuten nie auf die Uhr gucken, ich merke an den Hunden und ihrem Verhalten, oh, die Zeit ist rum!), auf Distanz saß und ich ihn verbal ins Platz bringen sollte. Auf mein Kommando hat Jasper seinen Kopf abgewendet und in die Ferne geguckt. Die Devise der Trainerin war, dass mein Hund mich grade verarscht und ich mich durchsetzen muss. Oh weh, mein armer Jasper, damals habe ich das gemacht. Im Glauben, ich wäre konsequent und das wäre so richtig. Dass mein Hund damals nur fix und alle war und keinen Stress mit mir haben wollte, war mir nicht bewusst. Was hätte ich ihm damals schon für eine bessere Partnerin sein können!


Hunde, wie mein Jasper, die in einer Konfliktsituation, aussetzen, gar nichts mehr machen, das Leben an sich vorbei ziehen lassen, in der Hoffnung, dass so die Situation irgendwann an ihnen vorbei geht, habe ich immer wieder kennengelernt. Heute sind das für mich die traurigsten Situationen. Ein Hund, der in eine Schockstarre fällt, hat keinen Handlungsspielraum. Klar wollen wir auch nicht, dass der Hund in einer solchen Situation aggressiv nach vorne geht oder panisch die Flucht antritt. Aber solche Hunde haben wenigstens noch Handlungsspielraum, ihnen fällt noch eine Strategie ein, mit der sie ihre Situation verbessern können, während Hunde, die nichts mehr machen, sich mental in einem Shutdown befinden. Ich kann nur zu allen Menschen, die mit Tieren arbeiten und das nicht erkennen sagen: Setzen, 6! Ich hatte erst eine Tierärztin diese Jahr, die zu mir sagte, mein Hund wäre doch so brav, für ihn wäre die Behandlung nicht schlimm gewesen, er hat gar nicht gemuckt. Nein, er hat gar nichts mehr gemacht, er war nicht mal in der Lage aus der Praxis zum Auto zu laufen…

Und dann kam Ylvi!

Als Jasper vier Jahre alt war, erfüllte ich mir einen lang in mir gewaschenen Traum, ein Hund vom Züchter! Und so kam Ylvi wie ein kleiner Wirbelwind in unser Leben. Ylvi ist ein Saarlooswolfhund und die beste Partnerin, die ich mir vorstellen kann. Heute ist sie vier Jahre alt und sie ist definitiv ein solcher Hund, von dem ich sage, dass er Selbstkompetenzen hat. Sie kann fast überall zur Ruhe kommen, orientiert sich gut an mir, kommuniziert klar und fair mit anderen Hunden, nähert sich höflich in Bögen an, wartet in trubeligen Situationen erst einmal ab und beobachtet das Ganze, bevor sie kopflos nach vorne stürmt. Und Ylvi würde durch jede Begleithundeprüfung mit Pauken und Trompeten rasseln! Oder vielleicht auch nicht, vielleicht würde sie mich auch Überaschen. Aber wir brauchen das nicht. Spätestens mit ihrem Einzug hab ich gelernt, dass Methoden über Druck und Zwang nicht mit jedem Hund funktionieren. Ylvi hätte ich damit brechen müssen, wahrscheinlich wäre mir das auch nicht gelungen, denn sie hat einen sehr starken Willen. So hätten wir ein Leben im ständigen Kampf miteinander geführt. Deswegen habe ich das nie versucht und Ylvi ist eine freundliche, lustige und souveräne Hundedame. Ylvi passte nicht in das System „Sitz, platz, Fuß- Hundeschule“, deswegen bin ich dort nicht lange mit ihr geblieben.

Die Stimmen in meinem Inneren wurden immer Lauter, dass es doch irgendwie besser gehen muss. Mit den klassischen Methoden habe ich mich zunehmend nicht wohl gefühlt. So bin ich weiter auf die Suche gegangen, habe eine Hundetrainerausbildung gemacht und mich versucht, stets zu verbessern. Auf diesem Weg habe ich einige Hundetrainerinnen kennengelernt, die das gelehrt und gelebt haben, was ich schon lange bauchmäßig in mir trug, aber selber nie ganz fassen konnte: eine grundsätzliche Einstellung zum Hund, die respektvoll und auf Augenhöhe ist. Denn man kann ohne Druck und Zwang und auch ganz ohne (emotionale) Gewalt mit seinem Hund glücklich zusammen leben. Ich habe auch aufgrund von Unwissenheit, Hilflosigkeit und nicht zuletzt Ratschlägen anderer Hundetrainer, zu Beginn mit Leinendruck und Körperblock gearbeitet. Und gerade weil ich beide Seiten kennengelernt habe, weiß ich dass das Zusammenleben ohne Druck und Zwang schöner ist, dass man so viel viel weiter kommt. Mich hat diese Entwicklung dorthin gebracht, wo ich heute stehe, dafür bin ich dankbar.

Aber ich weiß auch, dass fehlerfreies Lernen und präventiv trainieren immer der beste Weg ist. Deswegen gibt es diesen Blog, ihr müsst nicht all die Fehler machen, die ich durchlaufen habe. Ich musste auch in langem Prozess Lernen, die Dinge, die man bauchmäßig schon so lange in sich trägt, komplett authentisch nach außen zu tragen und wie wichtig es ist, dass man nicht in Strukturen festhängt, die einen nicht liegen und einen unglücklich machen. Gerade hier in Oberbayern herrscht oft noch die Mentalität: Das haben wir schon immer so gemacht! Aber hey, der Kopf ist rund, damit er das Denken ändern kann!

Abschließend möchte ich sagen, dass man seine Meinung, Haltung und Umgang, was Leben und Training mit Hunden angeht, ändern darf. Immer. Man darf an jedem Punkt seines Zusammenlebens mit seinem Hund sage: Das mache ich jetzt so nicht mehr! Ich möchte meinem Hund nicht mehr weh tun und ihm Angst machen! Ich möchte eine grandiose Zeit mit ihm erleben und ihn unterstützen, wenn er Hilfe braucht.
Deswegen gibt es Besser mit Hund, weil es besser gehen kann! Ich wünsche dir ganz viel Freude mit deinem Hund!

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